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Für Europäer ist es sehr schwierig, in Tunesien gegen Argumentationen zu bestehen, die mit dem Begriff "Tradition in Tunesien" geführt werden.

Zum einen, weil, wie dort beschrieben, dieser Begriff sehr wenig greifbar ist, und zum anderen, weil der Durchschnitts-Europäer keine dieser Traditionen überhaupt kennt und nur darüber staunt, wie sein Gegenüber so gut wie jedes Anliegen durch eine "passende" Tradition untermauern kann.

Ähnlich verhält es sich beim "Handeln in Tunesien" - der Europäer ist zwar auf sachliche Preisargumente vorbereitet, doch nicht darauf, daß der Gegenüber mit größter Selbstverständlichkeit teils absurde Argumente an den Haaren herbeizieht, um seine Position zu stärken.

Und da der Europäer weder mit dieser Art der Diskussion vertraut ist, noch die meisten Argumente auch nur entfernt nachvollziehen kann, befindet er sich in Tunesien schnell in der Defensive und ist überrumpelt bzw. geschlagen.

Dieses Muster kann als ein typisches in der Kommunikation mit Tunesiern bezeichnet werden und die meisten Tunesien-Kenner sagen deshalb auch "Läßt man sich erst einmal in eine Diskussion ein, hat man schon verloren".
Es geht hier allerdings nicht darum, welche Art der Diskussion die bessere oder richtigere ist, sondern allein darum, daß sie anders ist und daß man einer "orientalischen" Diskussion in Tunesien nicht mit den Mitteln beikommen kann, die man ein Europa für Diskussionen erlernt hat.

In der Tat ist es für Ungeübte in Tunesien erst einmal ein erfolgsversprechendes Mittel, eine Diskussion zu vermeiden bzw. auf die Argumente der Gegenseite nicht einzugehen und stattdessen auf den eigenen zu beharren.

Das mag zwar für Europäer unhöflich wirken, doch eine solche bestimmte und zurückhaltende Sachlichkeit ist die beste der Möglichkeiten, die er wählen kann.

Eine weitere Besonderheit in Tunesien darf nicht unerwähnt bleiben, nämlich die geringe Verläßlichkeit von Aussagen.

So gut wie jeder Tunesier wird, wenn er eine Antwort nicht weiß, dennoch eine Antwort geben, auch wenn sie falsch ist oder nur auf Vermutungen/Hörensagen beruht - oder einen weiteren Tunesier zur Hilfe hinzuziehen.
So kann zum Beispiel in Tunesien die einfache Frage nach dem Weg zu einer lebhaften Diskussion in einer ständig wachsenden Menschengruppe führen.
Fragt man 5 Personen nach dem Weg, so ist es nicht ungewöhnlich, daß man 5 unterschiedliche Antworten erhält - und keine davon die richtige ist

Und auch dann, wenn der tunesische Gegenüber eine ehrliche Antwort für unhöflich oder problemverursachend hält, wird man eine falsche Antwort erhalten.

Ohne nähere Kenntnisse der Sprache und Gesten wird man in Tunesien, ähnlich wie in einigen asiatischen Ländern, niemals sicher sein können, welchen Wahrheitswert man einer Antwort zumessen kann.

Genauso, wie in vielen asiatischen Ländern, kann man in Tunesien nicht von einem lächelnden Gesicht auf Freundlichkeit schließen - in den meisten Fällen ist es lediglich eine Sache der Höflichkeit, jemanden anzulächeln. "Freundlichkeit" kann deshalb auch völlig unvermittelt ins Gegenteil umschlagen, wenn man das Spiel der Katze, die um den heißen Brei schleicht, nicht mitspielt bzw. die Erwartungen des Gegenübers nicht erfüllt.

Siehe dazu auch:

Gesellschaft und Gesicht in Tunesien

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